1945: Gegen Kriegsende


Und der Schreibtisch ist auch weg!!

Wie war es nun dazu gekommen, dass unser Fotoapparat verschollen ist? Und noch ein paar Sachen mehr weg waren? Weil immer mehr Häuser im Ruhrgebiet zerstört wurden, hatten wir die Möbel von 3 Zimmern im Hochsauerland "evakuiert", nämlich Esszimmer, 1 Schlafzimmer und das Arbeitszimmer meines Vaters. Etwas wollten wir doch behalten von unserem Haushalt in Schalke! In den leeren Räumen konnte ich fein spielen und toben. Oder ich richtete dort eine Schule für meine Puppen ein.

Ein Bauer in einem kleinen Dorf im Hochsauerland hatte uns ein Zimmer vermietet, in dem unser Mobiliar gestapelt und gelagert wurde, in Teile zerlegt, empfindliche Spiegel und Glastüren in Steppdecken bruchsicher eingenäht. Nur das Klavier und der Schreibtisch waren nicht auseinandergebaut. Im Schreibtisch waren u.a. Wertsachen wie Uhren, ein damals sensationelles Mini-Radio von Philips, die Münzsammlung und eben die sehr wertvolle Leica eingeschlossen. 

Als nun die Amerikaner bei Kriegsende einmarschierten, sahen sie sich vor allem die Häuser der Nazis im Dorf genau an. Und unser Bauer war der Ortsgruppenleiter oder "Propagandaleiter" dort gewesen, was wir nicht wussten oder nicht beachtet hatten. Er kam ins Gefängnis. Seine Ehefrau berichtete uns, etliche Dinge aus unserem Besitz seien verschwunden, der Schreibtisch sei aufgebrochen und dann später wegtransportiert worden. 


Im Sommer 45 schrieb sie aufgeregt an meine Mutter:

... Ich bitte Sie noch mal dringend, Ihre Sachen sofort abzuholen. Gestern ist mir unser Sofa und Ihr Schreibtisch beschlagnahmt und abgeholt worden. Auf meine Einredung, der Schreibtisch gehöre mir nicht, wurde nicht drauf gehört. Setzen Sie bitte alle Hebel in Bewegung, um die anderen Sachen abholen zu lassen. ...


 

So kam  es, dass zuerst mal unsere "High Tech" Gegenstände verschwanden. Dann Wertsachen und Kuriositäten, wie die Münzsammlung oder Grubenlampen oder ein Sofakissen, das meine Mutter mit den "Zirkeln" (verschnörkelte Initialen) verschiedener studentischer Verbindungen bestickt hatte. denen mein Vater angehörte: Rheno-Frankonia Würzburg, Germania Münster, Thuringia Marburg, Markomannia... Sicher interessant für einen Amerikaner in Good Old Europe! 

Hitler hatte übrigens alle studentischen Verbindungen verboten. Es gab nur noch den "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund." 

Das Schlimmste für uns war aber im Augenblick: der Schreibtisch war weg!

Foto oben: Student sein, wenn die Veilchen blühen ... in Würzburg

 


< Leica

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