1945: Gegen Kriegsende


Wo ist die Leica geblieben?

Die Fotos  - meine Mutter und ich im Schalker Kussweg/ meine Schildkröt-Puppe Bärbel, die kleine Schwarzwälderin - gehören zu den ersten, die mein Vater mit seiner neuen Leica knipste. Damals, am 25.Dezember 1938, als die Welt noch in Ordnung war. 

Er hatte sich den tollen Fotoapparat Weihnachten 1938 selbst zum Geschenk gemacht und hatte seinerzeit den schwindelerregenden Preis von 1000 Reichsmark hinzublättern. Da musste ne alte Frau lange für stricken, oder ein Bergmann lange für arbeiten, nämlich ein 3/4-Jahr. Das Geld hätte knapp gereicht, um einen VW dafür zu kaufen. 

 

Meine Mutter war ahnungslos über die hohen Kosten. Als sie viel später davon erfuhr, fiel sie fast vom Stuhl vor Schreck.     

 


 

Auch die meisten übrigen Fotos in diesem Manuskript hat mein Vater mit der Leica selbst gemacht und und uns so einen lebendigen Eindruck hinterlassen aus jener Zeit. Es sind natürlich keine professionellen, sondern unsere persönlichen Familienfotos. 

Diese Kamera war das Steckenpferd meines Vaters. Er kaufte nach und nach Zubehör, Selbstauslöser, Belichtungsmesser, Gelbfilter, ... und knipste alles, was ihm vor die Linse kam. Das war nicht immer einfach, er musste am Anfang oft Lehrgeld zahlen. Aber er lernte dazu. 

Seit den Kriegswirren Anfang 1945 gibt es keine Aufnahmen mehr. Mein Vater war tot, und außerdem trat die Leica ihre Reise nach Übersee an, wahrscheinlich im Gepäck eines GI. Ich hoffe, er fotografierte damit eine glücklichere Zeit! Wie kam es nun dazu, dass unser Fotoapparat verschollen ist? Und noch ein paar Sachen mehr weg waren? Die Geschichte steht weiter unten. 




Foto: So etwa sah unsere Leica aus, eine M 6. In unserem Besitz 1938-1945


Man sagt, eine Leica sei unverwüstlich. Bei einem Flugzeugabsturz rettete sich ein Fotograf mit dem Schleudersitz, verlor dabei aber die Kamera aus der Hand. Als man sie nach 1 Jahr in der Wüste Nevada wiederfand, waren sie und der Diafilm OK. Er wurde entwickelt, der Fotograf gefunden. Eine andere, jetzt im Leica-Museum, lag 60 Jahre in einem Gletscher. Vielleicht gibt es auch unsere noch, irgendwo in den USA ... 

Die Leica ist "die Mutter aller Kleinbildkameras". Vor 75 Jahren ging sie in Serie. Nun musste es nicht mehr der große hölzerne Kasten auf 3-Bein-Stativ sein, mit schweren Glasplatten drin und einem schwarzen Tuch über dem Kopf des Fotografen. Die Leica hatte Taschenformat. 

Heute ist die Leica, vor allem die M 6 wie unsere, ein Kultobjekt, Inbegriff höchster Präzision, Handarbeit pur. Die Genies der Foto-Reporter schwören auf das Wunderwerk made in Wetzlar, Germany. Weil "sie wie ein dicker, heißer Kuss sein kann, aber auch wie ein Schuss aus dem Revolver oder die Couch des Psychoanalytikers. Sie ist die einzige Kamera, die eine Seele hat." (WAZ  27. 8. 2000)


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