1940-45: Bombenterror                                                                                    


 

Flammenzeichen

Der Weg zum Schalker Zuckerhut ging durch stockdunkle Straßen ohne Straßenlaternen, wo alle Fenster obendrein noch verdunkelt sein mussten. "Der Feind sieht dein Licht. Verdunkeln!" Niemals wieder habe ich die Sternbilder so klar gesehen wie damals. Manchmal machten sie mir Angst mit ihren deutlich sichtbaren Sternennebeln, die wie unheilvolle Flammenzeichen am Himmel standen. 

Die Menschen suchten in jener Zeit nach Deutungen und Prophezeiungen, die ihnen Fingerzeige für ihre ungewisse Zukunft gaben. Hellseherinnen und Weissagungen wie die uralten Schriften des Nostradamus wurden befragt. "Ein Mann, der unter einem Birkenbaum steht, wird uns retten . . ." so hieß ein Spruch. Und man beobachtete ängstlich die Natur und suchte nach Hinweisen wie Morgenrot ( . . . leuchtest mir zum frühen Tod! ), Unwetter mit Blitz und Donner (Den Schläfer läßt Gott schlafen, den Fresser wird Gott strafen!), den tröstlichen Regenbogen, und eben diese furchterregenden Flammenzeichen der Sternennebel, die ich kaum anzublicken wagte.

Meine Großmutter war nachtblind und konnte sich in der Dunkelheit der Straßen nicht zurechtfinden. Sie fasste deshalb stets eine andere ältere Dame schutzsuchend an die Hand. Einmal erwischte sie eine seltsam harte Hand. 

Im Bunker stellte sich heraus, wem die gehörte: einem italienischen Internierten aus Padua, der auch noch Antonio hieß - unser Antonius von Padua! (Antonius von Padua ist ein berühmter Heiliger des Mittelalters. Er ist deshalb so populär bei uns, weil er der Nothelfer aller vergesslichen und schlampigen Leute ist. Schick ein Stoßgebet zu ihm - "Heiliger Antonius, hilf mir! Bitte!!!" - und du wirst wiederfinden, was du verloren hast. . . meistens jedenfalls.) Als italienischer Internierter durfte Antonio in den Bunker mit uns, anders als die russischen Kriegsgefangenen, denen das streng untersagt war. 

Foto oben: meine Großmutter mit mir und meinem Vetter Kai

 


 

Da gab es ein unauslöschlich schlimmes Erlebnis bei einem Bombenangriff: jedes Mal bevor die Bomben fielen, der Lärm ohrenbetäubend wurde, die Erde bebte, das Licht flackerte, wir in der Dunkelheit umhergeschleudert wurden, bis wir endlich zitternd und betend und weinend in totaler Finsternis saßen, hockten, auf den Knien lagen, bevor also dieses apokalyptische Inferno über uns hereinbrach, wurden die Türen des Bunkers, jeweils 2 mit einer Schleuse dazwischen, fest zugehebelt und hermetisch verschlossen. Es bestand sonst die Gefahr, dass durch den Luftdruck der Bombenexplosionen unsere Lungen platzten. 

Ein russischer Gefangener versuchte eines Tages vor einem Angriff vergeblich, mit in den Zuckerhut zu schlüpfen. Er musste schutzlos draußen bleiben. Später, als der Angriff schon angefangen hatte, hörte man, wie jemand verzweifelt draußen mit den Fäusten an die eisernen Panzertüren hämmerte. Niemand öffnete, es wäre nun unser aller Tod gewesen. Dann war der Angriff vorbei, wir taumelten wie betäubt nach draußen in das Licht des Tages. Da lagen 2 tote Männer in dem von Bomben zerpflügten Erdreich. Sie hielten einander noch im Tode umarmt: der russische Kriegsgefangene und ein Deutscher.




 

 

 



In Dortmund erschlug eine schwere Sprengbombe am 7.10.1944 Schutzsuchende im Eingangsbereich des Bahnhofsbunkers

Foto aus: 
Jörg Friedrich, Brandstätten,
Propyläen Verlag

 


 

Der Luftkrieg, der von Hitler-Deutschland ausgegangen war, kehrte mit ungeheurer Wucht an seinen Ursprungsort zurück. Unter der Führung von Luftmarschall Arthur Harris hatte das britische Bomberkommando massiv aufgerüstet. Denn Bomber waren die einzig verfügbare Waffe, mit der
man die Deutschen treffen konnte. Das wusste auch Premier Churchill, der Harris unterstützte.

Die Pläne für die Zerstörung deutscher Städte lagen dem britischen Kriegskabinett seit 1940 vor. Die Briten wollten gezielt die Wohngebiete großer Metropolen treffen, um die Moral der
Zivilbevölkerung zu schwächen. Während die "Royal Air Force" meist nachts ihre Einsätze flog, griffen tagsüber die amerikanischen Verbände vor allem Industrieanlagen und Raffinerien an. Die deutsche Luftabwehr stand mehr und mehr auf verlorenem Posten.

Die alltägliche Konfrontation mit dem Tod, der Verlust von Hab und Gut, die qualvollen, angsterfüllten Nächte in den Bombenkellern – sie wurden zum Trauma für eine ganze Generation. Zeitzeugen berichten in der Dokumentation von dem "ungleichen Kampf", die Menschen am Boden hatten kaum eine Chance, dem Inferno aus der Luft zu entkommen.

Aus Der Feuersturm http://www.zdf.de/ 


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