Jahrtausende kaledonische Geschichte
Wer war St. Marnach?
Die Ortschaft Marnoch, die zu Aberchirder
gehört in der County Banffshire, trägt wie schon erwähnt ihren Namen nach
St. Marnach, Marnoch, Mernoc oder Marnan. Er war ein keltischer Heiliger,
geboren an Schottlands Westküste? oder in Irland? Er wirkte um 600
n. Chr. an mehreren Orten in
Kaledonien. Er gilt als Begründer dieser Gemeinde, wurde recht alt,
starb am 2. März 655 und wurde auch hier
begraben, bei seinem kleinen Kirchlein auf
einem Hügel am Flusse Deveron, in der Nähe von
Kinnairdy Castle (unten) in Aberdeenshire. Noch heute wird
alljährlich am 2. März sein Fest gefeiert.

Abb.: Kinnairdy Castle,
NO-Schottland
http://www.kinnairdy-castle.co.uk
Solche kleinen Kirchen werden "oratory"
genannt. Sie waren ursprünglich wohl eher ein Bethaus als eine Kirche, wie wir sie
gewohnt sind.
Wahrscheinlich war es ein Holzbau, wie um 600 n.Chr. üblich, den der Heilige mit einigen Helfern selbst errichtet
hat und der inzwischen längst zu Staub zerfallen ist. Heute sind nur noch
die Giebelwand und ein paar Trümmer der später (vermutlich zwischen etwa 1000
und 1200 n.Chr) gebauten kleinen Steinkirche übrig geblieben. Sie hieß die "Auld Kirk of Aberchirder",
was häufig ein Hinweis auf die druidische Vergangenheit
eines Ortes ist.
So berichtet Theodor Fontane (+ Berlin 1898) in Jenseit des
Tweed über die Ankunft keltischer Mönche:
"... angelangt, zogen sie sich in einen Kreis auf recht stehender Steine, also mutmaßlich in einen ehemaligen Druidentempel zurück und sammelten dann Zweige, um mit Hilfe von Reisigbündeln ein allererstes Hospiz
(Herberge) zu errichten. ... selbst ihre Kirchen, etwa unsern Blockhäusern entsprechend, waren aus Eichenstämmen zusammengefügt. Sie nannten sich »Culdees«
..."
Abb.: oratory, www.countywaterford.com

"In der Gegend gibt es
zwei verlassene Friedhöfe. Einer von ihnen liegt bei den Ruinen der Kirche des Heiligen Marnach (...)"
erzählt eine Besucherin der Region.
Abb.: Ruinen der Kirche des Heiligen Marnach,
errichtet etwa um 1000 n.Chr. über seinem Grabe, nachdem der
ursprüngliche Holzbau zerfallen war.
Foto Gavin Bell 2004, http://www.abdn.net/mi-index/

St. Marnach war ein Heiliger der frühen keltischen Mönchskirche,
wahrscheinlich in druidischer Tradition erzogen wie sein
Lehrer Columba. Weil diese Heiligen die immer größere Pracht und Veräußerlichung der inzwischen "etablierten" römischen
Papstkirche und deren zentralistische Struktur ablehnten, lebten sie gern
in Armut als Einsiedler in unbewohnten
Gegenden nach der Regel "Bete und arbeite!"
..."Nur das Seelenheil ihrer Mitmenschen lag ihnen am Herzen. Sie wirkten mehr durch Beispiel als durch Worte. Die Schlichtheit ihrer Kleidung, ihrer Haltung und ihres ganzen Auftretens war ihre Beredsamkeit. Sie halfen überall und beanspruchten nie Lohn ..."
(Abercrombie, Kirchengeschichte)
Abb.: Keltischer Einsiedler, from www.scottishrealms.com
Viele Menschen aus dieser Gegend wollten gern auch
nach dem Tod ihrem Heiligen nahe
sein. So entstand mit der Zeit um St. Marnachs Grab und um sein Kirchlein
herum ein Kirchhof.
"Der Kirchhof ist ziemlich verwildert und
überwuchert, aber ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall."
(Besucherin)
Abb.: Friedhof an St. Marnachs Kirche
Foto: Gavin Bell 2004, http://www.abdn.net/mi-index/

Karte: http://www.abdn.net/mi-index/

Ein paar hundert Meter weit weg von "The Auld Kirk of
Aberchirder", wo sich St. Marnachs kleine
Gemeinde zu Gottesdiensten und zum Bibellesen traf, lag einst die Mönchszelle,
wo der Einsiedler hauste. In einem angrenzenden Wäldchen entsprang eine heilige
Quelle, St. Mary's Well.
In der Umgebung sieht man
heute noch "Marnan's
Chair", einen Megalithen - vermutlich pflegte der Mönch
hier zu beten - und weitere Menhire, Reste eines Steinkreises. Sie wurden wahrscheinlich schon ca 4000 v. Chr. hier aufgerichtet. Sicher war
an diesem Platz in vorchristlicher Zeit ein Heiligtum.
Abb.: "Marnan's
Chair" auf einem Hügel über dem Flusstal des Deveron
Hier und da fand
man Schädel in den Quellen, die offensichtlich als Trinkgefäße
benutzt worden waren. Man trank daraus Wasser, um gesund zu werden. So
wusch man auch den Schädel von St.Marnach jeden Sonntag in der heiligen
Quelle und gab den Kranken von dem Wasser zu
trinken.
Schädel wurden bei den Kelten als Kultobjekte verehrt. Sie galten
als Inbegriff von Macht und Stärke.
Abb.: Marnoch Standing Stone
Foto: Klingon
Der Autor Chris Tweed, http://www.henge.org.uk
hat folgende Gedanken zu den seit Ewigkeiten als heilig verehrten Stätten,
auf die man hier oft trifft:
"Dass ein Fleckchen Land über
mehrere Jahrtausende als 'heilig' gilt ... es ist etwas, das
ich höchst erstaunlich finde Zuerst waren da Kreise aus
Baumstämmen, sie wurden später abgelöst von Steinkreisen, und noch
später von christlichen Kirchen. Alle im Laufe der Jahre und
Jahrhunderte und Jahrtausende gebaut auf ein und derselben Stelle. Es waren ganz
verschiedene Menschen, verschiedene Kulturen, verschiedene Religionen -
aber alle suchten sich denselben Platz aus, um Gott zu verehren."
Abb: Marnoch Standing Stone
http://www.themodernantiquarian.com
Seit
den Tagen des Heiligen Marnach, etwa um 600 n.Chr.
gab es also in
Aberchirder ein Kirchlein, zuerst ein hölzernes Oratory, nach 1000
n.Chr. dann eine
kleine Kirche aus Stein. Sie wurde lange Zeit gleichermaßen von Katholiken und Protestanten
genutzt. Als sie baufällig geworden war,
baute man 1792 an einer besser nutzbaren Stelle eine neue Kirche. Heute heißt sie die
Old Marnoch Kirk (links)
Abb.: Old Marnoch Kirk
Foto: www.foggieloan.co.uk

Posted by Jane: Hot stuff in Aberdeenshire - the
pleasure and the pain
A whopping single standing stone in a tiny churchyard is all that is left
of what was perhaps once a stone circle. This is one of those crazy stones
that you don't realise how tall it is until you stand right next to it and
it towers above you!
Ein einzelner Riesenstein auf einem
winzigen Kirchhof, das ist alles, was übrig blieb von dem Steinkreis, der
vielleicht einst hier stand. Bei diesen Wahnsinns-Steinen wird dir gar
nicht klar, wie groß sie sind, ... bis du direkt daneben stehst und sie
dich turmhoch überragen.
Abb: Standing Stone an der
Old Marnoch Kirk
http://www.themodernantiquarian.com
Hier in der Old Marnoch Kirk ereignete sich im
Jahr 1841 eine für Schottland denkwürdige Begebenheit: Die
Kirchenoberen hatten der Gemeinde einen neuen Pfarrer
vorgeschlagen,
einen Mr. Edwards. Gemäß dem Patronage System (Förderung,
Begünstigung) hatten die Grundeigentümer (lairds) dabei ein Wörtchen
mitzureden gehabt. Sie konnten sich wünschen, wen immer sie wollten,
ganz gleich ob fromm, ob - mehr oder weniger - gottlos. Der Gemeinde
gefiel diese staatliche Einmischung nicht, zumal man Mr. Edwards bereits
recht gut kannte. Es gibt zu denken, dass er bei der
Abstimmung nur eine einzige Stimme bekam. Und die war ... vom Gastwirt
des Ortes. Die übrige Gemeinde stand dem Trunkenbold heftig
ablehnend gegenüber.

Die Zeitung
"Aberdeen Banner"
über die Ereignisse in Kirk of Marnoch:
"... man beschloss, am 21. Januar 1841 eine
Versammlung einzuberufen. Was dann geschah, wird keiner so schnell
vergessen. Es war im tiefsten Winter, alles dick verschneit.
Trotzdem
waren 7 Geistliche und etwa 2000 Leute aus der Umgebung zur Versammlung
gekommen und hatten teils draußen, teils in der Kirche Platz gefunden.
Sie übergaben ein Protestschreiben gegen die Einsetzung des Pastors
Edwards durch die Obrigkeit als Pfarrer in Marnoch... es
wurde abgelehnt. Damit wäre jetzt wäre alles erledigt, so hoffte die Kirchenleitung insgeheim.
Doch nun folgte eine ebenso anrührende wie
eindrucksvolle Szene. Die Gemeinde erhob sich wie EIN Mann und sammelte
die Bibeln ein, die manche seit langer Zeit von einem Sonntag zum
nächsten in den Bänken liegen ließen. Man zog sich schweigend
zurück. Ihre tiefe innere Bewegung war manchen alten Leuten anzusehen,
denen Tränen die Wangen hinunterliefen, während manche junge Männer
vor Betroffenheit und Wut einen roten Kopf bekamen."
Abb.: Der demonstrative Auszug der
Gläubigen aus der Old Marnoch Kirk (Intrusion of Marnoch). Die Gemeinde wollte nach demokratischer Abstimmung
selbst darüber entscheiden, wer ihr Pfarrer
werden sollte.
Ein Augenzeuge sagte später:
"So etwas habe ich noch nie gesehen, ein Protest voller Anstand und
Würde, so ernst und fest entschlossen. Sie waren großartig! Kein
böses Wort, kein Vorwurf. Sie gingen hinweg in der festen
Überzeugung, dass der Allmächtige mit ihnen war, ER würde schon alles
in Ordnung bringen. Sogar die paar Gleichgültigen, die in den Bänken
geblieben waren, waren berührt. Sie hatten gewaltigen Respekt bekommen,
und manche Hartherzigen waren offensichtlich weich geworden. "Werden
sie wirklich alle gehen?", hörte man sie flüstern. Ja, alle
gingen und sollten nicht mehr zurückkommen ... ALLE
GINGEN." - Bis hierher liest es sich etwa wie
eine erbauliche Geschichte aus der Heiligenlegende!
Aber
dann........ erzählt ein anderer Bericht etwas profaner:
"Danach rottete sich protestierendes Volk aus dem ganzen Umland
zusammen, um in der Kirche Krawall zu machen. Sie fingen an, die Männer
der Kirchenleitung mit Schnee zu
bewerfen, oder ihnen Brotkanten oder Kupfergeld an
den Kopf zu feuern ." Von nun an traf sich die Gemeinde nicht mehr in
Old Marnoch Kirk, sondern man hielt eine Zeitlang Open-Air-Gottesdienste ab, in
Wiesentälern, am Seeufer,
... bis 1843 die "Free Church of Scotland" entstand.
"They understood the historic position of the Presbyterian Church in Scotland to be that the Church and State were independent in their own spheres, and ought not to interfere in each other's affairs, but help one another for the Christian good of Scotland. The result was that in 1843 the evangelicals in the Church of Scotland formed a new denomination, which they called
the Free Church of Scotland."
Quelle: http://www.backfreechurch.co.uk/History/history.htm
Anmerkung: Ich hoffe, alles
sinngemäß korrekt wiedergegeben zu haben. Die Sache war recht
kompliziert.

Die
Gegend heißt allgemein Bridge of Marnoch nach der
Doppelbogen-Brücke aus Granit über den Fluss Deveron. Hier steht ein Zollhaus, wo in alten Zeiten Reiter zuerst mal Zoll bezahlen
mussten, bevor sie ihren Ritt über die Brücke fortsetzen durften.
Eine richtige Dorfansiedlung gibt es in Bridge of Marnoch
nicht, eher
eine locker gegliederte vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Region,
einst mit Grundschule und Postamt für die in der Umgebung zerstreuten Farmen. Heute kommen gern Besucher
zum Fischen an den Deveron. Sie hoffen, Lachse oder See-Forellen zu
fangen.
Abb.: Bridge of Marnoch
http://www.fishingthedeveron.co.uk/Eucheries.htm
... Mehr konnte ich
vorerst nicht über unseren
heiligen Namengeber in Erfahrung bringen. Da ist das Problem, dass es
keine Aufzeichnungen über diese Zeit gibt. Die Kelten, wie bereits erwähnt,
kannten nur die mündliche
Überlieferung. Deshalb fehlt jede schriftliche Notiz.
Obendrein wird derselbe Name in verschiedenen Formen überliefert, die für eine
ahnungslose Europäerin vom Kontinent überhaupt keine Ähnlichkeit
haben: St. Marnach, Marnoch, Marnan, St.
Ernoc ("The name Marnoch is believed to be derived from St Ernoc or from Marnach",
sagt die Aberchirder Homepage), vielleicht auch noch
St. Machar oder gar
Mungo oder Mochumma, wer soll sich da auskennen?

Die Namen können
keltisch sein, englisch sehen sie wieder ganz anders aus. Oder die römische Kirche
latinisierte später (etwa 1200) einige, um die Bedeutung der alten
keltischen Mönchskirche zu verschweigen, die noch lange an der Tradition der
Druiden festhielt. Link Keltisches Christentum!
Ein total anderer Name wird
dann noch obendrein bei der Taufe gegeben. (Nach Paul D. Firth) Wer
hätte z. B. gedacht, dass Bonifatius eigentlich Wynfrith hieß? Und ich hatte
anfangs noch Zweifel gehabt, ob Marnach und Marnoch derselbe Name sei.
... Kein Problem!
Abb.:
Der letzte Druide
www.scottishrealms.com
Der Name des Heiligen lebt weiter in Old
Kirk of Marnoch, The
Marnoch Parish Church, Church of Scotland, und in St.
Marnan's Episcopal Church. Ein paar hiesige Fußballklubs
tragen seinen Namen ebenso wie die Stadt
Kilmarnock, Dalmarnock bei Glasgow und die Insel Inchmarnock,
und Portmarnock an der Ostküste
Irlands. Immer noch wird hier alljährlich das
Fest von St. Marnach gefeiert . Wann? Am 2. März oder 25. oder 26.
Oktober?
Das wird nicht ganz klar.
... außerdem gibt es zahlreiche Familien
in der Gegend von Aberdeenshire, die Marnach-Marnoch heißen,
auf Grabinschriften ist der Name verzeichnet in
ABOYNE (1)
ALFORD (5) AUCHINDOIR (OLD) (1) AUCHTERLESS u/p (1) BELHELVIE (2) COWIE (4)
DURRIS (1) DYCE (1) METHLICK u/p (1) NEW DEER (1) NEW MACHAR (1) RHYNIE (2)
TARVES (6)
... ebenso wie es den Ortnamen Marnach in den Luxemburger
Ardennen gibt, und etliche Luxemburger Einwohner
heißen Marnach. War der Heilige etwa auch deren Namenspatron?
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Die Gemeinde Marnoch
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