Die Familie und was dazugehört


Die Sprövesche, deftig westfälisch

"Ein Faktotum, recht nach deftiger westfälischer Art, war Frau SPRAVE, 'die Sprövesche' genannt. Sie war unsere Waschfrau und sprach am liebsten Platt, denn ihr Hochdeutsch - met de plattdütsche Schnute - war zu drollig und kaum zu verstehen.

 Eigentlich hatte sie es gar nicht nötig arbeiten zu gehen. In Westendorf, in der Nähe der Heilanstalt (heute Westfälische Klinik für Psychiatrie), besaß sie ein Häuschen mit Garten. Ihr 2. Mann namens DEISTING war Steiger bei der Zeche Schürbank und Charlottenburg. Ihr Sohn Fritz war Facharbeiter auf der Hütte. 

Trotz ihrer 2. Ehe blieb sie immer 'die Sprövesche' und hat treu zur Familie gehalten, als wir längst von Aplerbeck wieder nach Dortmund verzogen waren (1911). Sie erschien von Zeit zu Zeit mit einem Riesenkorb voll selbstgezogenem Gemüse, Obst, Eiern, Butter und Geflügel, was sie uns zu geringem Preis überließ.

Sie ließ es sich nicht nehmen, als einzige (!) Frau ihrer 'Frau Direkterin' am 30. Dezember 1913 das letzte Geleit vom Trauerhaus in der Elisabethstraße zum Südwest-Friedhof in Dortmund zu geben, nach 'dem feierlichen Levitenamt am selben Tage, vormittags um 1/2 8 in der Propsteikirche.'"

Warum ist Frau SPRAVE die einzige Frau bei Marias Beerdigung? Maria hat Schwestern, Cousinen, Freundinnen, und sie wird sicher auch von denen herzlich betrauert. Oder ist es in Dortmund nicht üblich, dass Frauen im Trauerzug mitgehen? Dann hätte die "Sprövesche" eine Menge Zivilcourage bewiesen! Auf jeden Fall ist auch sie "eine treue Seele".


Große Wäsche

Was heute in  2-3 Stunden erledigt wird - ein paarmal die Waschmaschine mit Wäsche und Waschmittel beladen, Programm einstellen, und dann einfach warten, bis alles sauber ist - das ist damals für die Hausfrau oder für die Waschfrau, 'die Sprövesche', ein harter Job, zu dem man eine ganze  Portion Muskelkraft gebraucht ... und Zeit: 2-3 Tage.

 


Eine ordentliche und saubere Wäsche symbolisiert zunehmend die Tugenden Fleiß, Ordnungsliebe und Reinlichkeit, wichtig für die Gesundheit von Kindern und Erwachsenen. Menge und Qualität der Wäsche bezeugen den sozialen Stand der Familie. Je umfangreicher die Ausstattung ist und je mehr Kleidung zur Verfügung steht, desto seltener muss gewaschen werden. Kinder- und Alltagskleider werden jedoch auch zwischendurch gewaschen.

Spätestens alle 4 Wochen hat sich gleichwohl ein Haufen Schmutzwäsche angesammelt - Bettwäsche, Tischwäsche, Unterwäsche, Schürzen, Handtücher, nicht zu vergessen die weißen Herrenoberhemden, mit gestärkter Vorderpartie, gestärktem hohen  Kragen und Manschetten (siehe Persil-Plakat!), wie sie mein Großvater trug ..... kurzum: Kinder wie Eltern "haben kein reines Hemd mehr anzuziehen". Dabei wechselt man die Unterwäsche sowieso nur einmal wöchentlich : am Sonntag, nach dem "Bad am Samstagabend".  (So kommt es, dass manch ein Arzt behauptet, dies sei der Grund, warum am Montag seine Praxis so voll sei. Jeder habe dann noch ein sauberes Hemd an.)


 

Am Sonntagabend wird zunächst mal der Waschkessel in der Waschküche mit Wasser gefüllt und der Waschofen wird angeheizt. Soda, Kernseife oder in späteren Jahren Waschpulver (seit 1907 gibt es Persil) werden ins Wasser gegeben, und die weiße Wäsche wird eingeweicht. Sie ist  damals noch ausschließlich aus robusten Naturfasern wie Leinen, Baumwolle, Nessel. (Buntwäsche und Wollsachen werden später gewaschen.) Die Wäsche bleibt in dieser nach und nach erhitzten Einweichlauge die ganze  Nacht über stehen. 

 

Fotos aus  http://www.daserste.de/abenteuer1900 


 

 

 

Das Einweichen ist eigentlich sehr empfehlenswert, es spart viel chemische Keulen! Aber der Traum der beiden Waschfrauen auf dem Persilpakat bleibt trotzdem lange Zeit noch ein (Seifen)- Schaum: 
Wäsche, wasche dich selbst! 

 

Abb.: 
1908 - Persil, das erste selbsttätige Waschmittel der Welt, ist seit einem Jahr auf dem Markt. Seine Waschwirkung ist neuartig und wird als "Wunder" bestaunt. (Zitat aus der Henkel-Homepage)

 


Am anderen Morgen geht nämlich die Plackerei erst richtig los: dann wird die eingeweichte Wäsche mit einem "Wäscheknüppel" (einem riesigen Kochlöffel ähnlich) in ein hölzernes Waschfass umgeladen. Dort rubbelt die Waschfrau das Weißzeug  auf dem Waschbrett - aus Holz oder Zinkblech - heftig auf und ab oder bearbeitet es mit Wurzelbürste und Kernseife, Schmierseife u.ä., bis alles - relativ - sauber ist. 

Ach, Wäsche, wasche dich doch selbst, seufz!!!

Foto: Waschfrau am Waschtrog, sie arbeitet  mit Waschbrett und Wurzelbürste



Das Waschbrett ist um 1850 eingeführt worden, heute ist es uns fast nur noch wegen des Waschbrettbauches geläufig, oder durch die Skiffle-Musik. 

Mitte der 1800er gibt es auch schon erste Versuche, den Waschvorgang zu mechanisieren. Die von Hand betätigten Waschmaschinen bewegen lediglich die Wäschestücke in der Waschlauge, sie rühren darin herum, ersetzen allerdings weder die Vorbereitungsarbeiten wie Einweichen, Umpacken vom Waschkessel in den Bottich und wieder zurück, das eigentliche Waschen auf dem Waschbrett oder mit der Bürste, Wringen, wiederholtes Spülen, nochmals Wringen ... 

 


Die Wäschestücke wandern nun zurück in frische Lauge im Waschkessel. Dort wird die Weißwäsche etwa 1 Stunde lang  sanft gekocht, dann in einer Wanne oder einem Bottich in klarem Wasser gespült, zuerst warm, dann mehrmals kalt, und bleibt erst mal im Wasser stehen. Ähnlich ergeht es der Buntwäsche, ohne Kochen natürlich! 

Wieder einen Tag später muss die Waschfrau die Weißwäsche - bei gutem Wetter - auf dem Rasen, auf der Bleiche einige Stunden auslegen. Was heute die "optischen Aufheller" machen, muss seinerzeit Frau Sonne zusammen mit dem Blattgrün des Grases schaffen. Für die  Gießkanne heißt es ständig wieder gießen, denn nur nasses Zeug wird von der Sonne gebleicht, mancher Kaffe- oder Rotweinflecken wird dabei blass oder verschwindet ganz! Nochmals ausspülen und dann auswringen! Die Wringmaschine (Abb.) arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie die modernen Nudelmaschinen im Haushalt: die Wäscheteile laufen zwischen 2 Gummiwalzen durch und werden platt gequetscht wie der Nudelteig. 


 

 

Die Arbeit an der Wringmaschine ist kraftraubend, bringt aber eine gut ausgewrungene Wäsche zustande, die umso schneller trocknet ... auf der Leine oder auf dem Dachboden. Zu guter Letzt ist alles wieder duftig und frisch. Im Winter bei Frost aber ist die Leibwäsche dann bretthart gefroren, dass schon mal das Bein einer langen Unterhose abbrechen kann. ;-)

 

 

u.a. aus
www.putzatelier.de
,
www.bez-freistadt.at/waschmuseum, www.oldiewash.de, www.hagemeyerce.com , www.lexhist.ch, www.uni-essen.de/chemiedidaktik
www.henkel.at/cee/at/deutsch/ 

 


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