Ein dunkles Kapitel


Die "Geißel der Gerechtigkeit"

Der neue Galgen
Im Jahre 1622 war der Galgen schon seit geraumer Zeit verfallen. Vielleicht war er vom Alter morsch geworden, vielleicht hatten durchziehende holländische Truppen oder Freibeuter ihn 1593 oder 1602 zerstört.

Gottfried von Eltz, Herr zu Clerf, wollte deshalb einen neuen Galgen errichten und befahl allen Untertanen im Beisein von Meyer und Schöffen, am 19. September 1622 in Clerf "mit ihrer gewehr und rüstung, wie in dergleichen fellen üblich" zu erscheinen.
Von Clerf aus wollten sie sich dann an den Ort des Hochgerichts begeben und dort dem Aufrichten des Galgens beiwohnen. Wer nicht erscheine, müsse 12 Goldgulden Strafe bezahlen.

Foto: Burg Clerf, Innenhof


Die Versammlung

So versammelten sich also am 19. September 1622  mehr als 300 Hausväter aus der ganzen Herrschaft Clerf in Clerf. Nicht allein aus den Dörfern der Umgebung waren sie gekommen, sondern sogar aus dem mittleren und südlichsten Luxemburg: aus Mecher, Liefringen, Roeser, Berchem, Bivingen, Everingen, Hellingen, Frisingen, .. Einige mussten sich brieflich wegen ihrer kriegsbedingten Abwesenheit entschuldigen.

 

 

 

 

 


Sie machten sich von Clerf aus auf den Weg nach Marnach. 

Als alle am Hochgerichtsplatz dort angelangt waren, wurden sie namentlich aufgerufen. In einem großen Kreis auf dem Feld um das Hochgericht nahmen sie Platz, aber ein jeder Hof blieb unter sich.

 

Kartenausschnitt:
Hochgericht der Herren von Clervaux auf dem Galgenplatz in Marnach

Der Galgenplatz lag am Rande des Dorfes Marnach, auf einer Anhöhe von allen Seiten gut sichtbar, zur Abschreckung, die sich der Grundherr Gottfried von Eltz, Herr zu Clerf, sicherlich davon versprach, aber auch als Kurzweil für Gaffer.

 


 

Die Ansprache des Richters
Conrardus Bischoff war damals Notar und Richter zu Clerf. Er stand auf und berichtete über 3 Ketten, die ehemals am Galgen angebracht waren. Sie waren auch unter dem Namen Pranger oder Lumpenring bekannt. Verurteilte wurden damit angekettet und öffentlich zur Schau gestellt oder mussten das "Stäupen" (Auspeitschen mit Ruten) erleiden.

Nach der Aufforderung des Richters erklärte jeder Meyer, auch im Namen seiner Untertanen, dass alle zugegen seien, dass sie alle Untertanen der Herrschaft Clerf seien und dass sie dem Schlossherrn Gehorsam und Treue gelobten und versprächen, dessen Schaden zu verhindern und sein Wohl zu suchen, wie es "ehrliebenden unterthanen gegen ihren Herrn zu thun gebürt." Trotzdem konnte keiner von ihnen sagen, wo die gesuchten Ketten geblieben seien. Nun mussten einige vortreten, deren Aufgabe dies immer schon war, und die Leiter beim Galgen aufstellen. Traditionell waren das Leute aus Marnach.


 

 

 


Die "Geißel der Gerechtigkeit"
Alle anwesenden Meyer halfen alsdann, den Galgen aufzurichten. Der Richter wandte sich an die Versammelten und ermahnte sie, dieses Zeichen als eine Geißel der Gerechtigkeit anzusehen und sich davor zu hüten. Um davor bewahrt zu bleiben, möge jeder Gott, den Allmächtigen, um seine Gnade und Hilfe anrufen.

Alle beteten ein Vaterunser und Ave Maria. Dann gingen die Versammelten "in voller gewehr und rüstungh", unter Trommelschlag um den Galgen und machten sich darauf auf den Heimweg.

 

Grabmal der Elisabeth von Heu (+ 29.Juni 1599) aus der Clerfer Grafenfamilie
Foto: Wilhelm Niehues


 

Dieser 19. September 1622 war ein denkwürdiger Tag in den Annalen Marnachs. 

 

Denkwürdig und schrecklich! Die "Geißel der Gerechtigkeit" war in Wahrheit ein Werkzeug der Macht, um die Untertanen gefügig zu machen und um den Besitz der Herrschaft mit unverhältnismäßig harten Strafen zu sichern. 

Das geschah zudem noch unter Gebeten, um die Strafen als gottgewollt zu legitimieren! "Im Namen Gottes", missbraucht für Machtansprüche der Kirche und der weltlichen  Obrigkeit, bei Entrechtung, Inquisition, Kriegen, Hinrichtungen, Kreuzzügen,  Hexenprozessen ... 

Und warum wird Geschichte meist über Kriegstaten und Galgen, nicht über Friedenstaten und die Wiegen der Kinder  geschrieben?

 


Abb.: 
Grabmal eines 1602 verstorbenen Babys
 
aus der Clerfer Familie

Foto: Wilhelm Niehues

 


Das Dokument des Clerfer Schlossarchivs über diesen Tag trägt folgende Unterschriften:

  • Matthheisz Neuw, geschworener gerichtsschreiber der Herrschaft Clerf,

  • F. Racht, viennensis (aus Vianden), Notar, Amtmann zu Clerf,

  • Conrardus Bischoff, Richter und Notar.

    (Quelle: t' He´mecht 1950, 2, S. 139) 

 


 

< Der Galgen

Hexenverbrennungen>

 | Titelseite dieser Geschichte | Titelseite aller Geschichten |