1940-45: Bombenterror


 

Ein Dechant mit Stahlhelm


Eines Tages schafften wir nicht mehr den Weg zum Zuckerhut. Wir mussten gemeinsam mit dem Pfarrer unserer Gemeinde, einem katholischen Dechanten, in den Keller unseres Hauses flüchten. Der Angriff wurde so bedrohlich, dass der geweihte Mann uns die Generalabsolution erteilte. Das ist die Lossprechung von allen Sünden, die man im Lauf des Lebens begangen hat. "Kniet nieder, ich gebe euch die Generalabsolution!" 

Sie ist nur im Angesicht des Todes erlaubt. Zum Glück mussten wir noch nicht sterben. Gott hielt die Hand über uns. Ein paar Tage danach wurde dieser Luftschutzkeller von einer Luftmine zerstört. (Seit meinen Erfahrungen mit dem Bombenkrieg bekam ich einen Blick dafür, wo die jeweils sicherste Ecke im Haus ist. 1999 in Atlanta, - ein Tornado war im Anzug - wusste ich ohne viel Überlegen, wohin im Katastrophenfall, nämlich in den Keller unter die stabile steinerne Kellertreppe.)

 



Dieser eben erwähnte Dechant trug stets im "Außendienst" einen Stahlhelm bei sich. Er versprach, den Helm meiner Mutter zu geben, im Ernstfall. Ich weiß, er hätte es getan. 

Auch nach Kriegsende bewies er seinen Sinn fürs Reale. Samstags versammelten sich vor unserer halbkaputten Notkirche - die Pfarrkirche St. Josef Schalke war total zerstört - immer kleine Grüppchen Kinder und Jugendlicher, um zu beichten. Der Herr Dechant schloss die Tür auf und los gings mit dem Sündenbekennen. 

Eines Tages sah er gedankenvoll seine wartenden Schäflein an, dann kam ihm eine glänzende Idee. "Leute, eure Sünden sind euch vergeben. Zur Buße nimmt sich jeder einen Hammer in die Hand und fängt an, Steine zu klopfen! Da liegt ein Berg Trümmersteine. Wir können dann wieder ein bisschen an unserer Notkirche reparieren!" 

 

Fotos aus: Der 2. Weltkrieg, Pawlak Verlag
  
                            


 

 

"Steinekloppen" nach Kriegsende. 

Wir Kinder waren Experten bei dieser Arbeit!  Und eine ernstzunehmende Hilfe beim Wiederaufbau der Städte!

(WAZ-online-Foto)

 


Das war ein guter Tausch, denn beichten war nicht sehr beliebt, dann schon lieber "Steinekloppen". Dabei gab es auch Unterschiede: der weiche, sandige Innenputz war schnell abgeschlagen. Der Außenputz mit viel Zementanteil dagegen war sehr hart und ließ den Hammer manchmal Funken sprühen. Gut konnte man auch mit einem kleinen Beil die Steine putzen, die danach dann wieder verbaut wurden. Der Neffe des lebenstüchtigen Dechanten war der spätere Kardinal Franz Hengsbach, der erste Bischof für das Ruhrgebiet. (1958, Bischofssitz wurde die Stadt Essen.)


< Amerikanische Tage ...

Göring heißt Meier >

| Titelseite dieser Geschichte | Titelseite aller Geschichten |